Mehr Verkehrsbelastung statt -entlastung durch eine Lobau-Autobahn

Seit es das Projekt S1-Lobau gibt, reißen die Schlagworte von der Verkehrsentlastung nicht ab, vor allem von nicht mit den Projektunterlagen befassten Personen, etwa Wiener Kommunalpolitikern. Nicht einmal die Asfinag hat derartiges früher behauptet, hat sich jedoch mittlerweile an die Politik angepasst.
Aussagekräftiger als derartige nicht fundierte Ansagen bzw. Wunschvorstellungen ohne weiteren Hintergrund sind allerdings Einreichunterlagen der Asfinag zur Lobau selbst und die dort enthaltenen Verkehrsuntersuchungen und Prognosen. Und die zeigen – und das kann man gar nicht oft genug betonen – Zuwächse bei der Verkehrsbelastung. (Siehe auch den Standard Artikel)
Das hat seinen Grund in den Phänomenen des induzierten Verkehrs und darin, dass es eben nicht nur zu Verkehrsverlagerungen kommt, sondern das Projekt auch Neuverkehr verursacht. Nachdem die Treibhausgasemissionen und das Verkehrsaufkommen direkt zusammenhängen würden diese mit steigen. Es kommt also insgesamt zu Verkehrs- und Emissionszuwächsen.

Zahlen aus dem Projekt haben wir in folgender Tabelle mit den besonders
relevanten Querschnitten zusammengestellt:

Hier zeigt sich: Bis zum Prognosejahr 2025 nimmt im Vergleich zum Bestand der Verkehr überall zu.
Nur gegenüber dem „hochfrisierten“ Referenzfall 2025 ohne Autobahn werden an manchen Strecken Entlastungen ausgewiesen.
Das ergänzte Prognosejahr 2035 zeigt aber wieder, dass diese sehr schnell ausgeglichen werden.
Es lassen sich einzelne Querschnitte finden, wo der Verkehr weniger werden würde.
Aber auf der Südosttangente und wichtigen Hauptdurchzugsrouten in der Donaustadt ist es so, dass…

– die Tangente 2035 mit S1 genauso voll ist, wie sie 2025 ohne S1 wäre.
– Gleiches gilt für die Esslinger Hauptstraße.
– Lediglich bei der Breitenleerstraße zeigt sich 2035 noch eine leichte
Restentlastung, wo aber bei Trendfortschreibung die Kompensation nur eine Frage der Zeit ist.
– Für die niederösterreichischen Orte Raasdorf und Groß-Enzersdorf muss das Land Niederösterreich extra Umfahrungen bauen um eine Entlastungswirkung darstellen zu können. Hier zeigen Berechnungen aus dem Vorprojekt, dass mit diesen Umfahrungen ohne die S1 diese Ortsgebiete ein deutlich stärkeres Entlastungspotenzial hätten.


Hinzu kommt, dass neben einer unverändert vollen Tangente auch der Lobautunnel relativ schnell an Kapazitätsgrenzen stoßen würde. So ergibt sich aus einer Staustundenermittlung bereits für 2035 (auf Werktage Mo-Fr umgelegt) – um es auf eine Zahl herunterzubrechen – eine Stunde Stau/Werktag. (Im Detail: Fahrtrichtung Norden 161 Stunden/Jahr, Fahrtrichtung Süden 264 Stunden /Jahr – entspricht 26 bzw. 43 Minuten /Tag (Mo – So) auf Werktage umgelegt 36 bzw. 76 Minuten – zwischen Nord und Süd gemittelt 56 Minuten also ca. eine Stunde. Vergl. dazu: Projektunterlage WU-11, Ergänzung Staustunden 2035). Was neben der Stauwirkung an sich bedeutet, dass das Sicherheitskonzept im Falle von Unfällen, insbesondere mit Brandfolge (die nicht betroffene Tunnelröhre soll rasch entleert werden und dient als Flucht- bzw. Angriffsweg für Einsatzkräfte), nicht mehr gesichert funktioniert. 2010 war ja durch eine Projektänderung die Zahl der Querverbindungen zwischen den Tunnelröhren halbiert und somit der Fluchtwegabstand verdoppelt worden, obwohl es bereits vorher massive Bedenken die Tunnelsicherheit betreffend gegeben hatte. (vgl.: https://derstandard.at/2877306/OeAMTC-warnt-vor-Massengrab)

Die Verkehrsuntersuchung der Asfinag kann man natürlich noch aus folgenden weiteren Gründen hinterfragen:
– In den Verkehrsprognosen liegt eine große Unsicherheit von der Methodik her selbst. (also nicht nur unbekannte Eingabeparameter)
– Aussagekraft für Nebenstrecken nicht gleich hoch wie für Hauptstrecken.

Aber es bleibt festzuhalten: Wenn nicht einmal die Asfinag eine Verkehrsentlastung nachweist, dann haben jene Erwartungshaltungen an das Projekt, mit denen die Öffentlichkeit, sprich: die Bevölkerung – oftmals wiederholt – getäuscht wird, keinerlei Grundlage.

Schon seit Jahren weisen wir darauf hin…
(copyright: BI Rettet die Lobau)

Erläuternde Anmerkungen zur Tabelle:

Die Verkehrszahlen ausgewählter Querschnitte in der Tabelle oben sind Zahlen, die die Asfinag selbst für ihr Projekt entwickelt hat. Sie sind den Einlagen 1.C-02 (Bericht Verkehrsuntersuchung) und 1.C-05 (Vorausschau künftiger Entwicklungen nach der Gesamtverkehrsfreigabe) des Einreichprojekts 2009 (sowie die zum Vergleich angeführte Wirkung von Umfahrungen ohne Autobahn dem Vorprojekt) entnommen. Dies bedeutet nicht, dass diese Verkehrsuntersuchung nicht in Frage gestellt werden kann, es ist jedenfalls bemerkenswert, dass es in den projektgegenständlichen Unterlagen die Verkehrsentlastung in der kolportierten Form nicht gibt.

– Entlastungswirkungen 2025 sind überhaupt nur im Vergleich mit einem Referenzzustand 2025 aufgeführt, für den das Bestandsnetz ohne S1 „hochgerechnet“ worden ist. Dabei wurden aber tw. unrealistische Querschnittsbelastungen unterstellt.

– Diese temporären Entlastungswirkungen sind bereits in der Vorausschau 2035 nicht mehr gegeben.

Grafik aus der Wiener Zeitung vom 24.9.2019

Es fällt auf, das die Asfinag ihren Verkehrsprognosen immer noch einen den Bestand von 2005 zugrunde legt. Damals gab es aber noch keine U2 Verlängerung über die Donau, keine Wiener Linien Jahreskarte um 365-Euro, was Viele zum Umsteigen auf die Öffis brachte, und auch die Parkraumbewirtschaftung war weit entfernt von dem Ausmaß, das sie heute hat. Der ganze Modal Split – die Verkehrsmittelwahl – hat sich seitdem stark verändert: Weg vom motorisierten Individualverkehr, hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln und zum Zu-Fuß-Gehen und zum Radfahren.

All das wird von der Asfinag nicht berücksichtigt, sie prognostiziert – basierend auf Bestandszahlen von 2005 – einen steigenden Bedarf für die Zukunft, den wir für unrealistisch halten. Wir haben daher wiederholt in den verschiedenen Instanzen des UVP-Verfahrens verlangt, aktuelle Zahlen, die ja vorhanden sind, zu verwenden, aber die Behörde hat das verweigert. Auch die Studie der TU Wien, die die Stadt Wien zur Prüfung von Alternativen zur Lobau-Autobahn in Auftrag gegeben hat, wurde vom Bundesverwaltungsgericht, der UVP-Behörde der 2.Instanz, nicht als Beweismittel zugelassen.

Asfinag zum Thema Stau:
„Der Ausbau des Streckennetzes lindert das Stauproblem aber nicht nachhaltig. Die Erfahrung zeigt: Je breiter die Straßen, desto größer wird das Verkehrsaufkommen. Das bedeutet, dass neue Staus nur eine Frage der Zeit sind. Sprich, immer mehr und immer breitere Abschnitte zu bauen, kann nicht die einzige Lösung sein.“ (…)
„Auch die Verkehrswende ist ein interessantes Mittel zur Stauvermeidung. Hier ist besonders der Ansatz interessant, den Schwerverkehr teilweise von der Straße auf die Schiene zu verlagern.“ Ivana Walden Content Managerin bei der Asfinag im Asfinag Blog zum Thema Stau

Dass Ausbau nicht automatisch ein Ende des Staus bedeuted, zeigt sich auch auf den beiden Bypassbrücken der Mühlkreis-Autobahn (A7), die im Zentralraum Linz über die Donau führen. Statt vier Fahrspuren auf der Hauptbrücke stehen den Autofahrern nun insgesamt acht Spuren zur Verfügung. Trotzdem gibt es nach wie vor Stau. (vergl.: Kurier vom 24.9.2020)

In diesem Zusammenhang sollte auch ein Blick auf die Gemeinde Achau in NÖ geworfen werden:

Screenshot von Google Maps zeigt die Gemeinde Achau direkt neben S1 Süd und Südautobahn. Trotz bzw. gerade wegen den nahegelegenen Autobahnen erstickt sie im Durchzugsverkehr

In der Gemeinde Achau (Bezirk Mödling), einer 1.500-Seelen-Gemeinde kreuzen sich zwei Bundesstraßen. Der Ort leide vor allem unter dem Durchzugsverkehr, sagt Bürgermeister Johannes Würstl (Bürgerliste). „Gerade viele Lkws würden die Straßen nutzen, um sich einen Teil der Lkw-Maut auf der Südautobahn (A2) bzw. Schnellstraße S1 zu ersparen.“

Erinnern wir uns: Die S1 Süd um die es hier geht wäre, wenn eine Lobau-Autobahn gebaut würde deren Verlängerung nach Süden. Wenn so ein kleiner Ort wie Achau der zwei Autobahnen direkt vorbei laufen hat im Durchzugsverkehr erstickt, weil viele der LKW Frächter nicht Maut zahlen wollen, und daher auf das niedrigrangige Straßennetz ausweichen, warum sollte das bei den Gemeinden und Ortsteilen entlang einer Lobau-Autobahn anders sein?

Was uns die Wiener Stadtregieriung und die NÖ Landesregierung glauben machen will „Autobahnbau = Entlastung vom Durchzugsverkehr“ funktioniert nicht. Mit dem Autobahnbau und dem Durchzugsverkehr ist es vielmehr ein „die Geister die ich rief werde ich nicht mehr los“….

Nachsatz: Wer glaubt, mit einer Temporeduktion im Ort sei das Problem leicht in den Griff zu bekommen der muss feststellen, dass das den Gemeinden nicht erlaubt wird und die zentralen Ortsstraßen weiterhin Tempo 50 haben müssen, damit der Durchzugsverkehr gut fahren kann. Vergleiche: https://noe.orf.at/stories/3215790/

..und die Autobahn „Stadtstrasse Aspern“?

Grafik von der gemeinsamen Pressekonferenz von VIRUS, Lobaubleibt und BI Rettet die Lobau vom 12.9.2023.

Grafik aus dem Standard vom 27.11.2021

„Enlastungswirkung der Stadtstrasse Aspern überschätzt“

Diese Grafik zu einer Stadtstrasse im Standard vom 27.11.2021 zeigt eine massive Verkehrszunahmen auf der Südosttangente: Beim Bau von Stadtstrasse und Lobau-Autobahn würde der Verkehr um 20700 Fahrzeuge zunehmen. Fazit des Artikels: „Eine Entlastung gegenüber dem Bestand bleibt eine Fiktion. Für die betroffenen Anrainer in Stadlau, Hirschstetten und Aspern hingegen ist sie nur in geringem Ausmaß und vermutlich nur vorübergehend zu erwarten..“

Verkehrswissenschafter Ulrich Leth:

„Tatsache ist: der Lobautunnel alleine bringt absolut keine Entlastung für die Tangente! Mit Lobautunnel werden 2030 genauso viele Kfz auf der Praterbrücke unterwegs sein wie heute. Das hat die Studie unseres Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik gezeigt und wurde auch von den internationalen ExpertInnen bestätigt.

Mit oder ohne Tunnel: entscheidend sind die Maßnahmen, die zur Reduzierung des Autoverkehrs gesetzt werden, und auch da sind sich TU Wien und das ExpertInnengremium einig. Es braucht:
– flächendeckende Parkraumbewirtschaftung
– Kapazitätsreduktion im unterrangigen Straßennetz (Beruhigung der Ortskerne)
– massiven Ausbau der Öffis links der Donau (Beschleunigung, neue Linien)
– ein Radroutennetz von den Siedlungsschwerpunkten in die
Naherholungsgebiete, zu den zentralen Einrichtungen und zu den ÖV-Knoten

Die Expertinnen empfehlen auch „[z]ur Erreichung der Klimaziele [..] Instrumente und Modelle, die den MIV begrenzen – wie zum Beispiel Umweltzonen bzw. eine City-Maut – zu prüfen“.

Bis zu den Empfehlungen scheinen die Tunnel-Befürworter bei ihrer Lektüre des Expertenberichts aber nicht gekommen zu sein, wie die Reaktionen auf den jüngsten Vorstoß in Richtung Citymaut zeigen.

FVV-Faktencheck: Braucht Wien eine „6. Donauquerung“?

von ulrich.leth

Die „6. Donauquerung“ in leiwanden Grafiken: Unsere erste leiwande Grafik zeigt die maximale Leistungsfähigkeit in Personen/Stunde aller bisherigen Donauquerungen – das sind im übrigen 11, und nicht erst 5 😉 – der Balken ganz rechts ist die geplante „6. Donauquerung“.
maximale Leistungsfähigkeit aller bisherigen Donauquerungen in Personen/Stunde  In unserer zweiten leiwanden Grafik haben wir die maximale Leistungsfähigkeit in Personen/Stunde nach Verkehrsmitteln zusammengefasst – das blaue Zipferl ist die „6. Donauquerung“ – vernachlässigbar im Vergleich zur jetzt schon bestehenden Gesamtkapazität. Genauergesagt würde die Gesamtkapazität durch die „6. Donauquerung“ um 6,2% steigen, die Kapazität der Kfz-Querungen immerhin um 14,3%. Maximale Leistungsfähigkeit der Donauquerungen nach Verkehrsmitteln in Personen/Stunde Die bisherigen Annahmen und Quellen sind unten vermerkt. Die wahre Absurdität der „6. Donauquerung“ wird erst sichtbar, wenn die theoretische Kfz-Kapazität (alt: 280.000, neu: 320.000 Personen/STUNDE) mit der aktuellen Verkehrsbelastung verglichen wird. Auf Wiener Stadtgebiet passieren knapp 400.000 Kfz die Donau – allerdings pro TAG! (s. Händische Straßenverkehrszählungen 2005, 2010 und ASFiNAG-Dauerzählstellen)
Aktuelle Verkehrsbelastung in Kfz/Tag Gut, man kann natürlich einwenden, dass ein Besetzungsgrad von 5 Personen/Kfz völlig unrealistisch ist – stimmt! Aber vielleicht liefert ja der Besetzungsgrad einen Hinweis zur Lösung des Problems: die Praterbrücke hat eine Kapazität von 16.000 Kfz/h – das sind 19.200 Personen bei einem gängigen Besetzungsgrad von 1,2. Die „6. Donauquerung“ hätte (bei 2+2 Fahrspuren) eine Kapazität von 8.000 Kfz/h – also 9.600 Personen/Stunde. Und jetzt kommt’s: bei einem Besetzungsgrad von 1,8 auf der Praterbrücke wäre die „6. Donauquerung“ nicht mehr notwendig (die 9.600 Personen würden in den 16.000 Kfz auch noch Platz finden). Utopisch? Mitnichten: innerhalb einer Woche nach dem Einsturz der Reichsbrücke 1976
stieg der Besetzungsgrad auf den übrigen Donauquerungen von 1,21 auf 1,72 [5]. Annahmen: Kfz-Leistungsfähigkeit: 2000 Kfz/h/Spur Besetzungsgrad: 5 Personen Straßenbahn-Leistungsfähigkeit: 14.900 Personen/h/Richtung bei 50 Sekunden Zugfolgezeit und 207 Fahrgästen [6] U-Bahn-Leistungsfähigkeit: 35.500 Personen/h/Richtung bei 90 Sekunden Zugfolgezeit und knapp 890 Fahrgästen S-Bahn-Leistungsfähigkeit: 20.660 Personen/h/Richtung bei 180 Sekunden Zugfolgezeit und 1033 Fahrgästen Fußweg-Leistungsfähigkeit: 3.000 Personen/h/m [FVV Studienblätter SS15] Radweg-Leistungsfähigkeit: 1.500 Personen/h/2m Zweirichtungsradweg [RVS 03.04.12 Querschnittgestaltung von Innerortsstraßen]“
Aus: https://blog.fvv.tuwien.ac.at/tag/lobautunnel/


Verkehrswissenschafterin Barbara Laa TU Wien – Rede Seestadt Aspern 24.04.2021 bei der Fahrraddemo „Eine andere Mobilität ist möglich – Autobahnbau stoppen!“:

„In Wien sollen also mitten in der globalen Klimakrise mehrere Schnellstraßen neu gebaut werden, die zum Teil unter dem Naturschutzgebiet verlaufen, die Milliarden an Euro kosten werden und die über Jahrzehnte hinweg zu einem erhöhten CO2 Ausstoß führen werden. Mit dem Lobautunnel und der Stadtstraße also der Schließung der S1 Außenringschnellstraße soll die verkehrsgeplagte Bevölkerung entlastet werden so das Versprechen der Politik, aber stimmt das überhaupt?
Hochrangige Stadtpolitiker haben im Gespräch erklärt der Lobautunnel sei alternativlos, das hätten die Verkehrsmodelle ergeben. Durch dieses Fraiming der Alternativlosigkeit versuchen Politiker*innen ihre Handlungen als neutral erscheinen zu lassen und sie zu entpolitisieren, damit wälzt die Politik ihre Verantwortung ab. Es wird versucht das Thema auf eine sachliche Ebene zu heben. Vermeintlich objektive Expert*innen erstellen Verkehrsmodelle, bewerten die Situation und nach ihren Empfehlungen richtet sich die Politik so als ob es nur darum ginge mathematische Probleme zu lösen damit der Verkehr und hier ist nur der Autoverkehr gemeint, richtig fließen kann. Dazu soll es also keine Alternative geben. Diese Erzählung der Alternativlosigkeit ist bekannt, Margret Thatcher prägte die Erzählung mit der Maxime „there is no alternative” so wurde und so wird auch heute versucht eine Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik zu legitimieren die einem technokratischen Weltbild folgt, soziale und ökologische Forderungen aus der Zivilbevölkerung werden abgewehrt, da es einen angeblich zwingend zu beschreitenden Pfad des Fortschritts gibt. Widerspruch und Diskussion werden nicht zu gelassen, Expertise folgt in ihrem praktischen Einsatz aber oftmals von außen vorgegebenen Zielsetzungen welchen politische Entscheidungen voraus gehen.

Es ist eine politische Entscheidung wie wir unsere Umwelt und unsere Gesellschaft gestalten, ob wir weiterhin autoorientierte Strukturen subventionieren und die Kosten der negativen Effekte auf die Gesamtbevölkerung abwälzen.

Es ist eine politische Entscheidung ob wir statt dessen nachhaltige und leistbare Mobilität für alle Menschen ermöglichen und durch Investitionen in Gemeinden dort Arbeitsplätze schaffen wo die Menschen leben und somit das Pendeldasein obsolet machen.

Es ist schlußendlich auch eine politische Entscheidung welche Annahmen für ein Verkehrsmodell getroffen werden. Wenn nur die Effizienz und Geschwindigkeit des Autoverkehrs angestrebt werden so werden ökologische, soziale und langfristige Volkswirtschaftliche Auswirkungen im Modell nicht abgeschätzt werden. Üblicher Weise wie auch bei der Lobauautobahn wird in den Verkehrsmodellen mit einem Anstieg des Motorisierungsgrades angenommen und eine höhere Verkehrsstärke in der Zukunft prognostiziert. Dem muss man mit Straßenbau entgegen kommen um Stau zu vermeiden. Nach Jahrzehnten dieser Art der Planung wird aber immer eindeutiger, dass die sogenannten Verkehrsprobleme durch Expansion nicht gelöst wurden. In der Fachwelt ist dieses Phänomen des induzierten Verkehrs längst bekannt, mehr Straßen führen zu mehr Autoverkehr.
Als Entscheidungsgrundlage der Stadt Wien für den Lobautunnel wir oft der sogenannte Bericht der Expert*innen Gruppe angeführt. Verkehrsentlastung ist in dem Bericht keines der Hauptargumente da diese nachweislich nicht stattfindet. Die Entscheidungsgrundlage ignoriert also nicht nur ökologische und soziale Auswirkungen sondern zeigt auch dass die eigentlichen Versprechen der Entlastung gar nicht erreicht werden. Warum sollte sich das die Bevölkerung das gefallen lassen?

Wenn die Politik die Klimaziele ernst nimmt dann muss es möglich sein über Alternativen zu diskutieren. Modelle und Entscheidungskriterien in Verkehr müssen durch die neugesteckten Ziele angepasst werden, die Art wie manche in der Politik gerade versuchen sich aus der Verantwortung zu stehlen macht mich nicht nur wütend sondern sondern auch nachdenklich. Ich denk nach über die Systeme die wir geschaffen haben die es ermöglichen, dass solche Projekte genehmigt werden nicht aber, dass sie wieder gestoppt werden können. Es sind Systeme die Konzerninteressen und Wachstumsideologien über die Menschen und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen stellen, bei den geplanten Straßen wird auf Bescheide der Umweltverträglichkeitsprüfungen verwiesen, auf Gesetze und Beschlüsse vorangegangener Legislaturperioden. Das stimmt, das sind Resultate demokratisch legitimierter Prozesse, das bedeutet aber nicht dass es aus heutiger Sicht nicht trotzdem falsch ist den Bau weiter zu forcieren.
Was Luise Neubauer und Carole Rakete über den Dannenröder Wald geschrieben haben gilt auch für die Lobau. Wenn eine Autobahn genehmigt wurde, sich zur Umsetzung aber die Rahmenbedingungen verändert haben, dann brauchts offensichtlich Mechanismen, die es ermöglichen, dass veränderte Voraussetzungen auch veränderte Entscheidungen ermöglichen. Wir werden in den nächsten Jahren immer mehr Verträge brechen müssen, die Frage ist nur, welche das sein werden und wer die Macht hat zu entscheiden, welche das sein werden. Wer soll entscheiden, dass es in Ordnung ist das Pariser Klimaabkommen zu brechen, nicht aber einen Straßenbau Vertrag?


Sehr lesenswert ist auch die Stellungnahme von Scientist for Future: https://at.scientists4future.org/wp-content/uploads/sites/21/2021/08/Stellungnahme-und-Factsheet-Lobautunnel.pdf

Ein Kommentar

  1. Mariana Potocnik sagt:

    Es ist wichtig, die Argumente der Rathauspolitiker („Verkehrsentlastung“ und der Asfinag mit ihren eigenen Zahlen zu widerlegen. Aber die tatsächlichen Planungen haben anscheinend noch ganz andere, riesige Dimensionen.In einem Artikel im Augustin Nr.537 von Christian Bunke: „Die Stadtstraße und der Standortwettbewerb“ wird über gemeinsame Planungen mit der Industriellenvereinigung berichtet: „Das Ziel von Stadtstraße ist nicht Verkehrsverringerung, sonder die Bindung europäischer Verkehrsströme an den Großraum Wien“ – Wien strebt gemeinsam mit Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer die Schaffung einer bundesländerübergreifenden Metropolenregion an, deren Rückgrat durch verschiedene Großprojekte wie die Stadtstraße oder die dritte Piste am Flughafen Schwechat geschaffen werden soll. In einem weiteren Artikel ist von der Schaffung einer internationalen Schwerverkehrsachse die Rede!

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