Rund um die geplanten Autobahnen sind zahlreiche Rechtsverfahren im Laufen. Wichtig ist zu beachten: Sie entscheiden darüber ob gebaut werden DARF. Aber nicht, ob gebaut werden SOLL. Auch wenn sie – im Sinne der Baulobby positiv – abgeschlossen wären, heißt das nicht, dass dann gebaut werden MUSS.
Der/die VerkehrsministerIn kann Autobahn- und Schnellstrassenprojekte in Österreich kurzfristig stoppen. Der Staat Österreich kann jederzeit mit einfacher Mehrheit im Parlament diese Projekte streichen. Sie sind im Anhang 2 des Bundesstrassen Gesetzes vermerkt und dieser kann jederzeit geändert werden. Das klingt vielleicht utopisch. Ist es aber nicht. Denn das hat es schon bei zahlreichen Autobahnprojekten gegeben. Die Waldviertelautobahn wurde sogar schon gestrichen, noch bevor sie ins Bundesstrassengesetz aufgenommen wurde. Zum Glück für das Waldviertel!
Rettet die Lobau – Natur statt Beton ist Verfahrenspartei als BürgerInitiative gemäß UVP-G in den Verfahren rund um Lobau-Autobahn, S1 Spange und Marchfeldschnellstrasse. Hilf uns diese drohenden Autobahnen durch alle Instanzen juristisch bekämpfen zu können! Bitte spende an: Rettet die Lobau – Natur statt Beton, IBAN: AT74 6000 0000 9216 8510 – Vielen Dank!
Wolfgang Rehm, Klima- und Verkehrsprecher der Umweltorganisation VIRUS, und Koordinator für die laufenden Genehmigungsverfahren stellte bei unserer gemeinsamen Pressekonferenz am 12.9.2023 den Verfahrensstand dar, der gravierend von der öffentlichen Wahrnehmung abweicht:
„Der umstrittene Lobautunnel ist nicht genehmigt, sondern es fehlen die meisten Bewilligungen noch und die Asfinag muss gerade zum wiederholten Male bei den immer noch nicht fachgerecht ermittelten Auswirkungen auf das Grundwasser nacharbeiten. Es kann also nicht legal gebaut werden, alle hier wiederholt erhobenen Klagsdrohungen sind leer“. Das Schwesterprojekt S8 ist 2020 gerade noch der juristischen Totalvernichtung entgangen und bleibt -nach einem Exkurs zum Höchstgericht – nach wie vor Durchfallskandidat Nummer 1. Bei der Stadtstraße Aspern ist die Stadt Wien 2022 mit dem Bau vorgeprescht, während die mit ihr verknüpfte S1 Spange Seestadt wegen Wiener Versäumnissen hängengeblieben ist. „Seit zwei bzw. vier Jahren liegen die Naturschutzverfahren Wien und Niederösterreich beim Bundesverwaltungsgericht, und musste praktisch alles neu gemacht werden“, so Rehm. Am 2.Oktober 2023 wird am BVwG verhandelt. Das Städtebauvorhaben Seestadt Nord ist ohne Not mit beiden Projekten verknüpft worden und kann nicht weitergebaut werden, beim Projekt Oberes Hausfeld ist die Wiener Landesregierung in ihrer Sitzung am 12.9.2023 gerade dabei, dieselben Fehler sehenden Auges zu wiederholen.“
Gesamtübersicht Verfahrensstand 2023 im Detail:
A.Straßenneubauvorhaben im Nordosten von Wien
1.S1 „Lobau-Autobahn“ (Abschnitt Schwechat -Süßenbrunn)
UVP-Verfahren
Hier liegt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts seit 2018 vor und ist mittlerweile
Rechtskräftig. Wesentliche Beweisfragen wurden jedoch in die nachgelagerten
Materienverfahren verlagert.
10 Materienverfahren (siehe untenstehende Tabelle), hier wurde eine Aufteilung in zwei so
genannte Verwirklichungsabschnitte (=VWA) vorgenommen:
1. Nordabschnitt VWA1 1 Süßenbrunn-ASt Groß-Enzersdorf – und
2. Südabschnitt VWA2 ASt Groß-Enzersdorf-Schwechat (mit „Tunnel-Donau-Lobau“
alias Lobautunnel).
(Anm.: Diese Aufteilung ist nach unserer Rechtsauffassung unzulässig)
Zu Materienverfahren VWA1:
Die 4 Bescheide sind derzeit rechtskräftig.
Zu beachten ist, dass im Ersten Verwirklichungsabschnitt die Errichtung des Knotens mit der
S8 erfolgen sollte, deren Genehmigungsfähigkeit ist aber äußerst fraglich (s.u.)
Zu den Materienverfahren VWA2:
Die hier insgesamt 6 Verfahren für diesen Abschitt incl. Lobautunnel wurden noch ein Jahr
später eingereicht als der ohnehin verspätet vorgelegte VWA1. Dafür wurden fünf Bescheide
erstellt, gegen die allesamt Beschwerde erhoben wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat
die Beschwerden für Wasserrecht und Naturschutz jeweils zusammengefasst. Den
Befangenheitsanträgen der Beschwerdeführer gegen den Hydrogeologischen Gutachter
(wegen hoher Auftragsvolumina mit der Asfinag, die seit seiner Bestellung als
Gerichtsgutachter im UVP Verfahren signifkant angestiegen waren) wurde Anfang 2023
stattgegeben .
Am 24.und 25.4.2023 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Dabei wurde
festgestellt dass die Beschwerden insofern berechtigt waren als die Beurteilung der
Auswirkungen des Tunnelbauvorhabens auf das Grundwasser (und den Nationalpark) mit
den vorgelegten Unterlagen nicht möglich ist. Eine Neuberechnung ist erforderlich und wird
sich bis ins Jahr 2024 erstrecken.
Eine wesentliche Beweisfrage ist somit 14 Jahre nach Einreichung zur UVP immer
noch nicht geklärt!
Die Naturschutzverfahren ruhen weil sie die Beurteilung der Auswirkungen auf das
Grundlage als wesentliche Vorfrage benötigen.
2. S8 Marchfeldschnellstraße Abschnitt West (Knoten nördlich Raasdorf-Gänserndorf
L9)
Das UVP Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht läuft seit Mai 2017. Wäre in
der mündlichen Verhandlung am 19.20.2.2020 bereits die Entscheidung verkündet worden,
wäre das Verfahren durch Abweisung erledigt. Durch die Vergrößerung des
Vogelschutzgebietes Sandboden-Praterterrasse bei Markgrafneusiedl (Stichwort Triel)
entging das Projekt diesem Schicksal. Im Oktober 2021 wurde der Bescheid aufgehoben
(erstmals in einem Sonderverfahren für Autobahnen) und an die Behörde zurückverwiesen.
Nachdem der Verwaltungsgerichtshof dieser Zurückverweisungsmöglichkeit enge und immer
enger gezogene Grenzen auferlegt, wurde diese Entscheidung aufgehoben und wird das
Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt. Da nach wie vor ein massives
Genehmigungshindernis besteht, kann die S8-West als Durchfallskandidat Nummer 1. gelten.
Update: Der nächste Verhandlungstermin des Naturschutzverfahrens beim Bvwg ist 30.November 2023 ab 9 Uhr. Wir haben vor dem Gebäude von 7.30 bis 9 Uhr eine politische Versammlung gegen die S1 Spange polizeilich angemeldet.
3. S1 Spange Seestadt (Knoten Raasdorf- Am Heidjöchl)
2010 wurde die ehemalige A23-Verlängerung aufgeteilt und die Stadtstraße Aspern Wien
zugeschlagen. Der zweite Teil der nach diesem Konzept die Verbindung zur S1-Lobau
herstellen sollte ist die meist wenig beachtete S1-Spange Seestadt.
Das UVP Beschwerdeverfahren ist seit August 2020 rechtskräftig entschieden. Es sind hier
allerdings noch Naturschutzverfahren für Niederösterreich und Wien erforderlich. Beide
Verfahren sind am Bundsverwaltungsgericht anhängig- Die mündliche Verhandlung wurde
für 19.9.2023 anberaumt und anschließend auf 2.10.2023 verlegt und stellt dies den
Anlassfall für unsere letzte Pressekonferenz dar.
Die Genehmigungsanträge wurden am 25.8.2018 (NÖ) bzw 31.1.2019 (Wien) gestellt.
Niederösterreich entschied bereits am 19.6.2019, Wien legte die Unterlagen erst vom 31.
August bis 12.Oktober 2020 öffentlich auf und erließ den Bescheid am 18. Mai 2021.
Im Beschwerdeverfahren beim BVwG zeigten sich die besonders in Wien völlig
unzureichenden Erhebungen und Maßnahmen und musste mit mehreren
Verbesserungsaufträgen praktisch von vorne begonnen werden. Welcher Stand jetzt erreicht
ist und wie es weitergeht wird sich in der kommenden Gerichtsverhandlung zeigen.
Die Wiener Landesregierung hat somit jedenfalls die Verzögerungen massiv
mitzuverantworten.
Update: Bei der Verhandlung beim Bvwg aum 2.10.2023 wurde noch keine Entscheidung gefällt sondern vertagt. Wir bleiben natürlich dran.
4. Stadstraße Aspern (Mit S1-Spange junktimiert)
Konzentriertes (=1 Bescheid für alle Materien) UVP Genehmigungsverfahren und Ändernungsverfahren rechtskräftig
abgeschlossen und Vorhaben in Bau. Zu den Kosten sind 231,5 Millionen Euro, die der Bund
laut Bundesstraßengesetz zuschießen muss, zu addieren.
Wien hat mit der Asfinag eine Vereinbarung geschlossen einen Teil der in deren
Zuständigkeit liegenden ASt Seestadt West vorzufinanzieren und zu errichten, ohne auf die
S1-Spange zu warten. Nachdem in der UVP immer nur eine gemeinsame Realisierung
untersucht worden ist, würde eine Verkehrsfreigabe dieser Konstellation bedeuten, dass ein
Projekt in Betrieb gesetzt wird, das in dieser Form nie auf seine Umweltverträglichkeit geprüft
worden ist. Ein Änderungsverfahren wäre erforderlich, jedoch kann nicht davon
ausgegangen werden, dass Wien dieses Verfahren aus eigenem Antrieb startet.
Die Stadt Wien möchte weiters die Anschlussstelle Lavaterstraße ohne
Genehmigungsverfahren bauen lassen und dann als geringfügige Änderung anzeigen. Die
Möglichkeit dies im bereits durchgeführten Änderungsverfahren mitzubeantragen wurde nicht
genützt.
B.Städtebauvorhaben im Umfeld der Straßen
5. Generelles
Der Werbeslogan der Stadt Wien 2021/2022: an der Stadtstraße hängen Wohnungen für
60.000 Menschen (siehe weitere Beilage)
Diese wurden auf Nachfrage durch den „Profil Faktencheck“ durch einen Sprecher von Bgm
Ludwig folgendermaßen aufgeschlüsselt:
https://www.profil.at/faktiv/spoe-im-faktencheck-ohne-stadtstrasse-keine-wohnungen-
naja/401777727
– Seestadt Aspern Nord: Wohnungen für 17.500 Menschen
– Heidjöchl: Wohnungen für 14.250 Menschen
– Berresgasse: Wohnungen für 7.500 Menschen
– Oberes Hausfeld: Wohnungen für 10.000 Menschen
– Süßenbrunnerstraße Nord: Wohnungen für 3.000 Menschen
– Hausfeld Süd & West: Wohnungen für 15.000 Menschen
Von diesen Vorhaben wurden bisher nur die Seestadt Nord und das obere Hausfeld einer
UVP unterzogen. Nur für diese gibt es entsprechende Festlegungen. Die Berresgasse ist
ohne UVP in Bau.
6. Seestadt- Aspern- Nord
Im UVP Bescheid Seestadt Nord wurde folgende Nebenbestimmung gezielt verankert (alle
Versuche dies im Rahmen des Verfahrens hintanzuhalten sind gescheitert ein
Änderungsverfahren wurde bisher nicht eingeleitet).
„Die Errichtung von Gebäuden auf den Baufeldern der Baufeldfamilien A, BI!, F, EI und EIl
sowie auf den Baufeldern B3, B4, B5, B6, GI, G2, G3, G4, G6, G7, G8, G9, GI0, G 11, H1
und H5 (Anmerkung: Das sind 80% der Baufelder) darf erst ab dem Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe der Anschlussstellen zum nördlich der Seestadt Aspem gelegenen Straßennetz (S 1 Spange Seestadt Aspem und Stadtstraße Aspern) erfolgen.“
Das bedeutet, dass das Vorpreschen von Sima und Ludwig bei der Stadtstraße ohne
Wirkung für die Seestadt Nord bleibt, weil zwei Bedingungen erfüllt werden müssen. Mit
einem Änderungsverfahren könnte diese Nebenbestimmung auch wieder beseitigt werden,
dies wurde jedoch bisher abgelehnt. Für die Stadtstraße wurde hingegen sehr wohl ein
Änderungsverfahren (wg. Nacht und Wochenendarbeiten) durchgeführt.
7.Oberes Hausfeld
Hier ist die Wiener Landesregierung gerade dabei absichtlich in jene Falle zu steuern die sie
2022 beklagten. Ausgehend von der Stadtstraße wurde im Zuge des Verfahrens eine
Junktimierung onv erst Seestadt dann S1 Nord und dann der gesamten S1 mit dem letzte
Bauabschnitt betrieben. Laut Verhandlungsschrift vom April 2023 lautete der Vorschlag für
die Nebenbedingung:
„Die Bedingung Nr. 3 hat daher wie folgt zu lauten: mit dem Vollausbau (>80% des
Gesamtprojektes Oberes Hausfeld) darf erst begonnen werden, wenn die S1 – Spange
Seestadt Aspern und die S1 Wiener Außenring Schnellstraße Knoten Schwechat bis Knoten
Süßenbrunn hergestellt wurden und jeweils eine Verkehrsfreigabe dafür erfolgt ist“.
Auf Urgenz des rechtsfreundlichen Vertreters der Projektwerber wurde dies in Besiedlung
umgeändert (die Möglichkeit des Baus ohne Nutzung stellt im Sinne seiner Mandanten keine
Verbesserung dar). Es ist davon auszugehen, dass am 12.9.2023 ein
Bescheid der Wiener Landesregierung mit genau dieser Nebenbestimmung im Stadtsenat
beschlossen wird.
Pointiert erklärt anhand einer Lobau-Autobahn, wie in Österreich – mit Gesetzen für die Welt von Gestern – gegen die Bürger*Innen regiert wird in einem Kurzvideo – sehr sehenswert:
„Regieren gegen die Bürger*Innen“ eine sehr spannende Veranstaltung vom 20. September 2023. Dort hat der Anwalt des Forum Wissenschaft und Umwelt Dr. Josef Unterweger für den Club of Vienna in der Wiener Urania einen Vortrag zum Thema „Gesetze für die Welt von gestern“ gehalten. Ein YouTube-Mitschnitt dieses Vortrages findet sich unter