VCÖ Stellungnahme gegen Lobau-Autobahn

„Wieso der Lobautunnel keine Zukunft hat“

Sehr lesenswerter Artikel auf der Homepage des VCÖ (Verkehrs Club Österreich):

Von Sebastian Raho (VCÖ – Mobilität mit Zukunft), Juli 2025

„Der unlängst veröffentlichte zweite Sachstandsbericht Klimawandel verdeutlicht das hohe Tempo des Klimawandels in Österreich. Die Durchschnittstemperatur ist seit 1900 mit 3,1 Grad Celsius doppelt so stark gestiegen wie im globalen Durchschnitt. Extremwetterereignisse, wie Hitze, Starkregen und Stürme, nehmen massiv zu – und damit auch die Schäden. „Der anhaltend hohe Grad an Bodenversiegelung untergräbt die Klimaschutzbemühungen“, heißt es im Sachstandsbericht.1 Die Lobau-Autobahn würde zusätzlich 1,3 Quadratkilometer wertvolle Ackerflächen zerstören.2 Nicht der einzige Nachteil dieser extrem teuren Straße. Aber der Reihe nach:

Die Planungen für die Lobau-Autobahn begannen in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Seither haben sich nicht nur Mobilitäts- und Klimaziele von Wien und Österreich verändert, sondern auch das Mobilitätsverhalten. Dieses voraussichtlich fünf Milliarden Euro teure Infrastrukturprojekt ist nicht mehr zeitgemäß und ist keine Lösung für die Verkehrsprobleme des Ballungsraum Wiens. Im Jahr 2005 erfolgte der politische Beschluss für die sogenannte S1-Nordosterweiterung. Diese soll von Schwechat aus die Donau und die Lobau auf mehr als acht Kilometer untertunneln und dann an der Wiener Stadtgrenze oberirdisch verlaufen.

Lobautunnel löst die heutigen Verkehrsprobleme nicht

Seit dem Jahr 2018 gibt es zwar eine rechtskräftig genehmigte Umweltverträglichkeitsprüfung, aber wasser- und naturschutzrechtliche Bescheide stehen noch immer aus. Zudem wurde Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof eingereicht, da für dieses hochrangige Verkehrsprojekte vorab keine strategische Prüfung Verkehr (SP-V) erfolgte. Wenn die noch ausstehenden Verfahren rasch abgeschlossen werden, wäre ein Baustart frühestens um das Jahr 2030 und eine Fertigstellung um das Jahr 2040 realistisch.3 Verkehrswirksam würde die Lobau-Autobahn also erst in fünfzehn Jahren werden, viel zu spät, um für die gegenwärtigen Verkehrsprobleme Abhilfe zu schaffen. Der Umweltbericht der Strategischen Prüfung Verkehr zeigt, dass die S1 zu erweitern in fast allen geprüften Punkten – Verkehr, Umwelt, Gesundheit, Wirtschaftlichkeit – schlechter abschneidet als andere Varianten.4

Wenig Verkehrsentlastung durch S1-Erweiterung

Obwohl sie Verkehrsprobleme lösen soll, würde sich auf die S1 gemäß der Analyse des Umweltberichts der Strategischen Prüfung Verkehr nur wenig Pkw-Verkehr verlagern und damit nur vergleichsweise geringe Verkehrsentlastungen auf der Südosttangente (A23) bewirken. Das tägliche Verkehrsaufkommen der S1 entspräche etwa der Hälfte des Verkehrs der Triester Straße, also weniger als das Verkehrsvolumen einer typischen Wiener Ausfallstraße. Der Betrieb der Lobau-Autobahn würde aber das gesamte Pkw-Verkehrsaufkommen in Wien erhöhen.5 Denn laut einer Studie der TU-Wien fördert die S1 eine flächenintensive Siedlungsentwicklung im Wiener Nordosten und im Marchfeld, da periphere Lagen für Pkw-Pendelnde attraktiv werden.6 Dies würde den Wiener Speckgürtel und damit das Pkw-Verkehrsaufkommen auf bereits stark befahrenen Straßen weiter erhöhen.

Öffi-Ausbau ist wirkungsvolle Lösung

Der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs würde hingegen eine stärkere Entlastung der Hauptstraßen im Osten Wiens und der A23 bewirken. Solch ein Öffi-Paket würde etwa eine Taktverbesserung der S-Bahn, neue Straßenbahnen ins Wiener Umland und vier neue Schnellbuslinien beinhalten.7 Auch der Transitverkehr rechtfertigt den Bau der Lobau-Autobahn nicht, da Pkw-Fahrten von Nord nach Süd nur etwa vier Prozent ausmachen.8 Und auch der Schwerverkehr ist kein Argument für den Bau dieser sehr teuren Straße: Der Anteil des Lkw-Verkehrs beträgt auf der Südosttangente lediglich rund fünf Prozent, hier  fahren im jährlichen Tagesdurchschnitt in eine Fahrtrichtung weniger als 5.000 Lkw, aber mehr als 85.000 Pkw.9

Wien hat bereits ausreichend hochrangige Straßenverkehrsinfrastruktur. Entgegen der Annahmen, die in der Planung der S1 vor mehr als zwanzig Jahren getroffen wurden, hat sich das Bevölkerungswachstum Wiens vom Pkw-Besitz entkoppelt, dies gilt auch für den stark wachsenden Osten Wien.10 Hingegen ist der Anteil, der mit dem Fahrrad oder mit den Öffis zurückgelegten Wege seit Anfang der 2000er Jahre stark gestiegen.11 Zudem hat sich die Stadt Wien das Ziel gesetzt, den Anteil des Autoverkehrs von derzeit 25 Prozent auf 15 Prozent im Jahr 2030 zu reduzieren.12

Die S1 zu erweitern schadet der Bevölkerung

Berechnungen des Umweltbundesamts zeigen, dass der Betrieb der Lobau-Autobahn große Mengen an CO2 und gesundheitsschädlichen Schadstoffen freisetzen würde. Im Jahr 2040 würden durch die Lobau-Autobahn zusätzlich 294.000 Tonnen CO2 und 327 Tonnen Stickoxide verursacht.13 Über 400.000 Menschen wären von erhöhten schädlichen Emissionen betroffen, da die Lobau-Autobahn im dicht besiedelten städtischen Bereich Wiens mehr Verkehr verursachen würde.14 Ein Szenario ohne Lobau-Autobahn und mit ausgebautem Öffentlichen Verkehr würde für 829.000 Personen eine Reduktion der Schadstoffbelastung bedeuten.15

Bodenversiegelung und Biotop-Zerschneidung durch Straßenbau

Diese neue Autobahn bestünde nicht nur aus einem 8,2 Kilometer langen Tunnel durch einen Nationalpark, sondern auch aus Oberflächenstraßen, deren Bau zum Verlust von 131 Hektar landwirtschaftlicher Böden führen würde.16 Von den versiegelten Flächen sind derzeit 93 Prozent landwirtschaftlich genutzt. Die Lobau-Autobahn würde direkt durch ein schützenswertes agrostrukturelles Vorranggebiet führen, wobei 61 Hektar hochwertiger sogenannter BEAT-Flächen versiegelt würden, die für die Ernährungssicherheit Österreichs essentiell sind.17 Zudem würde die S1-Nordosterweiterung den Alpen-Karpaten-Landschaftskorridor durchschneiden, was die Biodiversität in dem ökologisch bereits stark geschädigten noch Raum weiter reduziert.18

Hoher CO2-Ausstoß und Gefahr für die Lobau

Befürworter argumentieren, das Projekt reduziere Umwegfahrten und wäre somit gut für die Umwelt. Das ignoriert aber die gesteigerten Umweltwirkungen und die gewaltigen Emissionen des Tunnelbaus. Allein der Tunnelbau wird mindestens 400.000 Tonnen CO2 verursachen – dazu kommt noch das CO2 für den Bau des S1-Nordteils, der Stadtstraße und A23-Spange. Das Argument, der unterirdische Tunnel, schütze die Lobau, ist ebenfalls fragwürdig. Das zeigt der Bau des Götschkatunnel für die S10 Mühlviertler Schnellstraße in Oberösterreich. Obwohl der Tunnel 40 Meter unter der Oberfläche gebaut wurde, sank das Grundwasser in der Gegend deutlich ab. Dies führte zu folgenschweren Umweltschäden in der Gegend: Feuchtbiotope versandeten, Bäche versiegten, Wälder vertrockneten, Felder verdorrten und etwa 50 Brunnen in der Gegend führten kein Wasser mehr nach dem Tunnelbau.19

Diese Autobahn wird sehr teuer

Die S1-Nordosterweiterung inklusive dem Lobautunnel kostet laut offizieller Kostenschätzung mindestens 2,4 Milliarden Euro Kosten.20 Im Jahr 2021 rechnete die Asfinag noch mit 1,9 Milliarden Euro, was einem Kostenanstieg von 21 Prozent in drei Jahren entspricht.21 Die Kosten von großen Straßenprojekten werden oft unterschätzt. Aktuelles Beispiel: Die A26, der sogenannte Linzer Westring, kostet statt geplant 440 Millionen Euro aktuell 1,2 Milliarden Euro – also fast dreimal (!) so viel.22 Bei einer ähnlichen Kostensteigerung würden die Kosten der S1-Erweiterung auf deutlich über fünf Milliarden Euro ansteigen. Die Lobau-Autobahn wäre sehr teuer, würde aber die bestehenden Verkehrsprobleme nicht lösen. Darüber hinaus würde sie die Gesundheitsbelastung für viele Anrainerinnen und Anrainer erhöhen, wertvolle landwirtschaftliche Flächen für immer zerstören.

Ein Projekt, das viele Nachteile bringt und im Widerspruch zu Österreichs Klima- und Mobilitätszielen steht, sollte ad acta gelegt werden.“

Quellen

1Austrian Panel on Climate Change (2025). Zweiter Österreichischer Sachstandsbericht zum Klimawandel | AAR2.Weblink
2WWF (2024). WWF-Bodenreport.Weblink
3Ennöckl, D. (2025). Der Lobautunnel und kein Ende? Die Presse, 28. April 2025, S.18.Weblink
4BMK (2025). Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat–Süßenbrunn Strategische Prüfung Verkehr – Umweltbericht.Weblink
5BMK (2025). Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat–Süßenbrunn Strategische Prüfung Verkehr – Umweltbericht. S.267-282.Weblink
6Knoflacher H. et al. (2017). Auswirkungen der Lobauautobahn auf die Stadt Wien.Weblink
7TU Wien (2016). Auswirkungen der Lobauautobahn auf die Stadt Wien, S.13.Weblink
8TU Wien (2016). Auswirkungen der Lobauautobahn auf die Stadt Wien, S.11.Weblink
9Asfinag (2024). Verkehrsstatistiken 2024.Weblink
10Stadt Wien (2025). Bevölkerungsstatistik. Kraftfahrzeugstatistik.Weblink
11TU Wien (2016). Auswirkungen der Lobauautobahn auf die Stadt Wien, S.13.Weblink
12Stadt Wien (2025). Der Wien-Plan. Stadtentwicklungsplan 2035. S. 38.Weblink
13BMK (2025). Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat–Süßenbrunn Strategische Prüfung Verkehr – Umweltbericht. S.303.Weblink
14BMK (2025). Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat–Süßenbrunn Strategische Prüfung Verkehr – Umweltbericht. S.281.Weblink
15BMK (2025). Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat–Süßenbrunn Strategische Prüfung Verkehr – Umweltbericht. S.353.Weblink
16BMK (2025). Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat–Süßenbrunn Strategische Prüfung Verkehr – Umweltbericht. S.303.Weblink
17Stadt Wien (2024). Agrarstruktureller Entwicklungsplan für Wien, S.10.Weblink
18BMK (2025). Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat–Süßenbrunn Strategische Prüfung Verkehr – Umweltbericht.Weblink
19Wiener Zeitung (20147). Im Sand verlaufen.Weblink
20BMK (2025). Wiener Außenring Schnellstraße Schwechat–Süßenbrunn Strategische Prüfung Verkehr – Umweltbericht. S.9.Weblink
21ORF: Der lange Weg zum Lobautunnel. Wien: 2018.Weblink
22Der Standard (2023). Kosten explodieren beim Linzer Westring.Weblink


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