Jutta Matysek (Sprecherin der BI Rettet die Lobau – Natur statt Beton) zur aktuellen Entwicklung:
Wohnbau in Geiselhaft des Autobahnbaus – eine Gruppe Bauträger, eine Umweltorganisation und eine BürgerInitiative versuchen gemeinsam einen Befreiungsschlag
Wien 22., Oberes Hausfeld: Eine Bauträger ARGE Oberes Hausfeld plant hier seit 11 Jahren leistbares, ökologisches Wohnen zu bauen, incl. Vieler Kindergruppen, daneben kommt noch ein Schul campus, einen neuen, weitgehendst autofreien Stadtteil, perfekt mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen (U2, Schnellbahn S80, Straßenbahn und Buslinien). Während andere Bauträger im Bezirk versuchen ihre Projekte um eine Umweltverträglichkeitsprüfung herumzuschummeln, reicht diese ARGE ihres freiwillig zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ein.
Was dann passiert ist schwer nachzuvollziehen: Die Stadt Wien beschließt mitten in dieses Autofreie Gebiet hinein die sog “Stadtstraße” in Autobahngröße (mit Tunnelportal ins Schulcampus, damit die lieben Kleinen auch was davon haben). Und die- weisungsgebundene – MA22 der Stadt Wien die hier in der ersten Instanz UVP Behörde ist, also die Umweltverträglichkeit des Wohnprojekts Oberes Hausfeld zu beurteilen hat, erteilt folgende Auflage, die am 12. September 2023 von der Wiener Landesregierung als Genehmigungsbedingung beschlossen wird:
“Mit der Besiedelung (..) darf erst begonnen werden, wenn die S1 – Spange Seestadt Aspern und die S1 Wiener Außenring Schnellstraße Knoten Schwechat bis Knoten Süßenbrunn hergestellt
wurden und jeweils eine Verkehrsfreigabe dafür erfolgt ist.“
Ein Autofreier Stadtteil darf also erst besiedelt werden wenn – zusätzlich zur Stadtstraße die schon im Bau ist – die daran anschließenden zwei Autobahnen – S1 Spange und Lobau-Autobahn – FERTIG sind.
Beschlossen am 12.Sept 2023. Aber erinnern wir uns: Schon 1.12.2021 verkündete doch Ministerin Gewessler das Ergebnis der Evaluierung des Klimaschutzministeriums: Die S1 Lobau-Autobahn wurde abgesagt, von der S1 Spange sollen nur jene Teile gebaut werden, die für Seestadt notwendig sind. (Ernsthafte Verhandlungen darüber, wie dies konkret umgesetzt werden soll haben seither offenbar nicht stattgefunden. Die Länder Wien und Niederösterreich opponieren gegen diese Entscheidung. Die Genehmigungsverfahren laufen unverändert weiter, Umweltorganisationen und BürgerInitiativen bekämpfen darin die Autobahnprojekte durch alle Instanzen.)
Trotz der Entscheidung des Klimaministeriums erteilte die Stadt Wien dem Autofreien Wohnprojekt im Oberen Hausfeld 2023 diese absurde Auflage.
Die Bauträger ARGE die schon eine Menge Geld investiert hatte und sich mit laufender Baukostensteigerungen konfrontiert sah wußte wegen der Auflage nicht ob und wann sie mit dem Bau anfangen könnte (Natürlich wagt sich niemand groß zu Bauen zu beginnen ohne zu wissen, ob und wann die Gebäude besiedelt werden dürfen). Ein Alptraum der sich über Jahre hinzieht. Die Stadt Wien versuchte den Wohnbau zur Durchsetzung ihrer Mega Straßenprojekte einzuspannen. Mittels großangelegter Plakatkampagne wurde verkündet: Man brauche die Autobahnen um die Stadtneubaugebiete bauen zu können – Ohne Autobahnbau kein Wohnbau – Immer mit dem Verweis auf DIE Auflage aus der UVP. Die Auflage, die sich die Stadt Wien durch ihre MA selbst auferlegt hatte. Und natürlich – mittels UVP Änderungsverfahren – auch genauso wieder ganz leicht streichen könnte.
Anmerkung: Diese Vorgangsweise der RotPinken Stadtregierung ist leider kein Einzelfall. Auch bei anderen Stadterweiterungsprojekten z.B. Seestadt Nord gibt es solche Auflagen, die diese mit dem Autobahnbau verknüpfen und dadurch erheblich verzögern oder gar stoppen. Auch der Bau von verschiedenen dringend benötigten Öffiprojekten zb einer Straßenbahn nach Groß Enzersdorf ist deswegen On hold.
Beim Oberen Hausfeld kam es zu einer – in dieser Kostellation – einzigartigen Zusammenarbeit zwischen Bauträger ARGE, und der Umweltorganisation VIRUS und der BürgerInitiative BNWN. Gemeinsam versucht man den Befreiungsschlag aus der Fessel des Autobahnbaus: Ein UVP Änderungsverfahren wurde eingereicht, um die den Wohnbau blockierende Auflage wegzubekommen. Und noch mehr als das: In den letzten Monaten seit Bescheiderlassung wurden neue Verkehrs- und Umweltuntersuchungen für einen Planfall ohne Autobahnbürde beauftragt und erarbeitet, die nun der Behörde vorgelegt wurden. Sie weißen eine Verringerung der Verkehrsbelastung für diesen Planfall nach. Beweisen: Der Kampagnen Narrativ der Stadt Wien Autobahnbau-notwendig-damit-Wohnbau-umweltverträglich ist einfach falsch.
Von Seiten der Stadt Wien wurde für das Wohnbauprojekt Oberes Hausfeld nie ein UVP Planfall ohne Autobahnen geprüft – jetzt erbringt der Bauträger – auf eigene Kosten – den Beweis, dass das Autofreie Wohnprojekt ohne Autobahnen umweltverträglich ist.
Jetzt wird es spannend: Was wird die Stadt Wien jetzt tun bzw. Ihre weisungsgebundene UVP Behörde MA22 tun lassen? Weitermachen wie bisher und in Kauf nehmen, dass die Bauträger die leistbares Wohnen bauen wollen finanziell zusammenbrechen? Oder diese Auflage im UVP Änderungsverfahren streichen.
Hier kann die Pressekonferenz nachgehört werden: https://cba.media/665276
Presseaussendung:
Wohnbau in der Donaustadt darf nicht Geisel für Straßenbau sein!
UVP-Änderungsverfahren „Oberes Hausfeld“ eingereicht
Keine Zwangsverknüpfung von Wohnbau und Straßenbau
Autofreie Mustersiedlung braucht nicht S1 –Spange und S1-Nord und
Lobautunnel
Wien, am 22.05.2024 (VIRUS). In einer historischen gemeinsamen Pressekonferenz des
Bauträgers Kallco Development GmbH &Co KG als anteilsmäßig größter
Bauträgervertreter im oberen Hausfeld, der Umweltorganisation VIRUS und der
Bürgerinitiative BNWN, sprachen sich die Vertreter für eine Entkoppelung von Wohnbau
und Straßenbau aus. Sie stellten ihre 2023 begonnene Kooperation im Zusammenhang mit
dem „Oberen Hausfeld“ vor, die in die Einreichung eines Änderungsverfahres zur UVP
mündete.
Wolfgang Rehm von VIRUS verwies eingangs darauf, dass seit 2016 erkennbar war, dass
Wohnbau seitens der Wiener Stadtregierung als Durchsetzungsinstrument für gewünschte
Straßenbauprojekte eingesetzt werden soll: „Das hat vorbereitend mit der Seestadt Nord
begonnen und erreichte seinen Höhepunkt im Jahr 2021 mit einer beispiellosen
Werbekampagne durch Stadträtin Uli Sima mit dem Slogan Wohnungen für 60.000
Menschen. Dies obwohl sich diese Zahl aus sechs Vorhaben zusammensetzt aber nur einen
Bescheid gibt und auch der kein Naturgesetz sondern änderbar ist. Beim Oberen Hausfeld
gab es letztes Jahr ein deja vu weil die Behörde alles daran gesetzt hat, die Verknüpfung mit
den Wunschstraßen der Stadtregierung so stark wie möglich zu gestalten. Dabei wird mit
zweierlei Maß gemessen, derartige Bescheidbedingungen nur für Wohnbauprojekte und
nicht jedoch für Straßenprojekte obwohl diese nur gemeinsam geplant und geprüft wurden“.
Ing. Stefan Eisinger-Sewald von KALLCO: „Unser Projekt, das durch zwei U-Bahnstationen
und eine Busanbindung hervorragend erschlossen ist, hat sich in den letzten 12 Jahren zu
einem vorbildlichen, autofreien Pionier-Städtebauprojekt entwickelt. Es gibt keine
Notwendigkeit, unsere dritte Bauphase mit den übergeordneten Straßenprojekten zu
verknüpfen. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, gemeinsam mit unseren
Partnern eine Projektänderung zu erarbeiten, die nun eingereicht wurde. Sämtliche
Gutachten belegen, dass unser Wohnbauvorhaben mit überwiegend leistbarem
Mietwohnraum und bestehender Infrastruktur eindeutig umweltverträglich ist. “
Heinz Mutzek vom BürgerInnen Netzwerk Verkehrsregion Wien Niederösterreich (BNWN):
„Als Bürgerinitiative in Wien haben wir über 10 Jahre Erfahrung mit NICHT-Bürgerbeteiligung
und können für dieses Projekt folgendes feststellen: Sowohl Politik als auch der Wiener
Magistrat sind an einer ehrlichen Mitbestimmung von Bürgern nicht interessiert! Aufgrund der
besonderen UVP-rechtlichen Situation beim Oberen Hausfeld konnten wir uns mit Kallco auf
Verbesserungen einigen, die Gerichtsinstanzen nicht zugelassen hätten, weil diese unter
massivem politischem Druck stehen. Wir freuen uns darüber, dass wir mit dieser
Pressekonferenz etwas in Österreich Einmaliges vorstellen können, nämlich die respektvolle
Kooperation mit einem Bauträger, die mit Behörden und der Wiener Politik nicht möglich war,
weil es dort keine frühzeitige, ehrliche und ergebnisoffene Beteiligung gibt.
In den letzten Monaten seit Bescheiderlassung seien neue Verkehrs- und
Umweltuntersuchungen für einen Planfall ohne Straßenbürde beauftragt und erarbeitet
worden, die nun der Behörde vorgelegt wurden. Daraus ergebe sich sogar eine Verringerung
der Verkehrsbelastung für diesen Planfall. „Wir gehen davon aus, dass Magistrat und
Stadtregierung dem sozialen Wohnbau nicht weiterhin hemmende Steine in den Weg legen
und unser Änderungsprojekt rasch abarbeiten und antragsgemäß erledigen werden,“ so
abschließend Rehm, Mutzek und Eisinger-Sewald unisono.“
Am Podium der Pressekonferenz (von links nach rechts)
- Heinz Mutzek, Sprecher Bürgerinitiative BNWN (BürgerInnen Netzwerk Verkehrsregion Wien Niederösterreich)
- Wolfgang Rehm, Klima und Verkehrssprecher Umweltorganisation VIRUS
- Ing. Stefan Eisinger-Sewald, Geschäftsführer Kallco Development GmbH &Co KG, ARGE Oberes Hausfeld
In den Presseunterlagen findet sich auch diese sehr aufschlußreiche Zeittafel.
Medienberichte von der Pressekonferenz:
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240522_OTS0103/wohnbau-in-de
r-donaustadt-darf-nicht-laenger-geisel-fuer-strassenbau-sein
https://wien.orf.at/stories/3258169/
https://on.orf.at/video/14227511/wien-heute-vom-22052024
https://www.diepresse.com/18488080/neue-front-gegen-den-lobau-tunnel
https://www.derstandard.at/story/3000000221120/initiative-bekaempft-zw
angsverknuepfung-von-wohnbau-und-autobahnbau
https://kurier.at/wirtschaft/immo/oberes-hausfeld-donaustadt-zwist-str
assenbau-wohnungen/402903954
https://newsletter.falter.at/nMBJRABH63OvTV (ganz unten)
Print Artikel gabs in KronenZeitung (kurz), Presse, Standard und
Kurier, Falterl.
Spannend auch die Presseaussendung der Wiener Grünen.
Was ist am Oberen Hausfeld geplant:
Die Stadtneubaugebiete in der Donaustadt und wieviele Menschen dort wohnen sollen im Überblick…
und ihre Anbindung mit U Bahn und Schnellbahn. Attraktive Intervalle und ergänzende Straßenbahn- und Buslinien als Zubringer sind hier notwenig aber ganz sicher keine Autobahnen!
Direkt neben dem geplanten Schulcampus an der U Bahn wird die „Stadtstraße Aspern“ in der Dimension einer Autobahn errichtet. Abgase für die Kleinen vom Kindergarten bis zur Matura.
Hier protestierten Aktivist:innen über Monate mit der als „Wüste“ bekannt gewordenen Baustellenbesetzung und der ikonischen Pyramide gegen den Bau der „Stadtstraße“. Auch bei eisigen Temperaturen..
..gegen die Autobahn druchs Kinderzimmer. Leider ohne Erfolg, die Stadt Wien ließ an einem Tag das ganze Gebiet unter enormen Polizeiaufgebot räumen und gleichzeitig über 1000 Bäume unter Polizeischutz fällen.