Durchbrechen wir das Denkverbot – es braucht Verkehrsvermeidung

Neue Zahlen gingen kurz vor dem Jahreswechsel durch die Medien: Der PKW-Verkehr hat 2023 bis November bundesweit um 3,9 Prozent und damit über Vor-Corona-Niveau zugelegt! Besonders signifikant ist der Anstieg der Autonutzung im Großraum Wien mit einer Zunahme von 6,1 Prozent.

Alarmierende Zahlen für Klima und Umwelt, aber ein entsetzter Aufschrei in der (ver)öffentlichten Meinung blieb aus.

Die Medien berichteten in diesem Zusammenhang nur die finanzielle Situation des (100 Prozent im Staatseigentum befindlichen) Autobahnkonzerns ASFINAG. Bei 10,4 Mrd Euro Schulden will sie 500 Millionen Euro für Autobahnneubau ausgeben und es schmerzt sie die Vignetten- und Mautpreise 2024 nicht erhöhen zu dürfen. (Will sich die ÖVP mit dieser Vorgabe der Regierung im Superwahljahr 2024 die Gunst der Autofahrenden und LKW Frächter sichern?)

Dazu, wie man Verkehrsvermeidung schaffen kann, um Klima, Lebensqualität und Umwelt zu retten, scheint es ein Denk – oder zumindest Veröffentlichungs-Verbot zu geben. Vielleicht, weil die Autoindustrie für die Medien ein lukrativer Anzeigenkunde ist?

Bei der ASFINAG Gruppe, die aus mehreren Aktiengesellschaften besteht, weiß man offensichtlich was man will: Gewinn. Und mehr Verkehr heißt mehr Gewinn. Vor allem, wenn es Schwerverkehr ist, denn der zahlt kilometerabhängige Maut. Je mehr LKWs durch die Gegend donnern, desto mehr Gewinn für die ASFINAG. (Jeder Dritte LKW Kilometer ist übrigens eine Leerfahrt, Tendenz steigend)

Ein äußerst aussagekräftiges Statement der ASFINAG wozu sie neue Autobahnen bauen will, erklärt DI Thomas Schröfelbauer Projektleiter ASFINAG Bau Management GmbH: „Neue Straßen ziehen Verkehr an. Das ist de facto eine Entwicklung, die nicht aufzuhalten und aus Sicht der ASFINAG ein bisschen ein Selbstzweck ist, denn wir leben auch von der Maut. Es ist durchaus der gewünscht Effekt.“ [1]

Den Löwenanteil an den Einnahmen 2023 machte der Schwerverkehr mit einer Mautleistung von insgesamt 1,69 Milliarden Euro aus. Deshalb ist die ASFINAG auch besonders traurig, dass es beim Schwerverkehr aufgrund der schwachen Konjunktur im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 2,8 Prozent gab.

Dass von diesem gewinnorientierten Autobahnbetreiberkonzern unter diesen Bedingungen kein Vorstoß für Verkehrsvermeidung zu erwarten ist, überrascht jetzt nicht. Aber: Die Bedingungen und die Gesetze, die sie ermöglichen, müssen nicht so bleiben. Die ASFINAG gehört dem Staat. In letzter Konsequenz heißt das: Sie gehört uns. Der Bevölkerung, dem Souverän. Warum lassen wir uns gefallen, dass sie gegen unsere vitalsten Interessen wie Klimaschutz, Bodenschutz, Gesundheit und Lebensqualität handelt?

[1]Quelle: Weber Nikolai Masterarbeit “Politisch-ökologische Konfliktanalyse des Autobahn- und Tunnelprojekts S1 (‚Lobautunnel‘) 2020. Das angegebene Zitat findet sich auf S 69 – Download: http://othes.univie.ac.at/63081

Gastkommentar für „Left Comment“ von Jutta Matysek – Sprecherin der BürgerInitiative Rettet die Lobau – Natur statt Beton. Umwelt- und Friedensaktivistin und ehrenamtliche Radiomacherin bei Radio Orange 94,0 (Sendereihe “trotz allem”)

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